Der Tag, an dem der Titleist Pro V1 die Golfwelt im Sturm eroberte.
Wenige teile der Ausrüstung haben, falls überhaupt, einen derartigen Einfluss auf einen Sport gehabt wie Titleists Golfball Pro V1. Eine, die dabei war, als er zum ersten Mal auf einem Turnier der PGA-Tour im Jahr 2000 präsentiert wurde, ist Mary-Lou Bohn, President of Titleist Golf Balls. Hier ist ihre Geschichte vom Golfball, der das Spiel revolutioniert hat.
Ehe wir auf den Pro V1 zu sprechen kommen, müssen wir zurück ins Jahr 1932. Da verlor nämlich Phil Young, ein dedizierter Amateurgolfer und Eigentümer eines Gummiunternehmens, im Matchspiel gegen seinen Zahnarzt. Überzeugt davon, dass dies an einem Fehler des Balls lag, fuhren er und sein Zahnarzt zur Praxis des letzteren und machten ein Röntgenbild vom Ball. Und ganz richtig. Auf der Röntgenplatte konnten sie sehen, dass der Kern des Balls tatsächlich außerhalb des Zentrums des Balls lag.
Fest entschlossen, einen Golfball mit einem konsequent zentrierten Kern zu schaffen, kontaktierte er seinen Universitätsfreund vom MIT, Fred Bommer, der Spezialist für Gummi war, um die Idee weiterzuentwickeln. Drei Jahre später erblickte Titleists erster Ball das Licht der Welt, und der Rest ist, wie man zu sagen pflegt, Geschichte.
ZURÜCK INS JAHR 2000
Während der 90er Jahre und zu Beginn des Jahres 2000 waren der Titleist Professional und der Titleist Tour Balata die führenden Bälle für die Profis auf den Touren. Beide hatten einen umwickelten, flüssigkeitsgefüllten Kern, im Unterschied zu den Bällen, die die meisten Amateure verwendeten. Die hatten einen soliden Kern und eine Urethan-Schale, die mehr Weite ergab und die Bälle strapazierfähig machten.
„Während dieser Zeit waren wir führend in drei wichtigen Bereichen für Golfbälle: große, solide Kerne, Mehrkomponentenkonstruktionen und Hochleistungs-Urethan-Schalen. Wir hatten alle drei Techniken in anderen Bällen verwendet, aber niemals alle zusammen in einem Golfball. Das haben wir dann mit dem Pro V1 getan“, sagt Mary-Lou Bohn.
Der Grund, warum man zu experimentieren begann, alle Techniken in einem Golfball zusammenzufügen, war die Entwicklung des Spiels.
„Das F&E-Team von Titleist holt sich Feedback von den Spielern und versucht laufend neue Prototypen zu entwickeln. Ende der 90er Jahre wurden neue Schläger und Materialien entwickelt, und damit auch das Spiel. Es wurde kraftvoller, und die Profis fragten nach einem Ball, der verschleißfest war, wenig Spin im langen Spiel hatte, aber gleichzeitig in der Nähe des Grüns das Gefühl eines gewickelten Balls behielt.

Es dauerte fünf Jahre, einen spielbaren Prototypen des Pro V1 zu entwickeln. Im Sommer 2000 führten Angestellte der F&E-Abteilung von Titleist, Chefs und Führungskräfte das durch, was später als „the 100 Man March“ bekannt wurde.
„Ziel war es, 100 Spieler auf der PGA- und LPGA-Tour den Prototypball draußen auf dem Platz testen zu lassen. Unsere Vertreter gingen bei der Einspielrunde mit, um auf diese Weise direktes Feedback von den Profis zu bekommen. Aufgrund der positiven Rückmeldungen wussten wir, dass der Ball funktionierte.“
DAS ERSTE TURNIER
Drei Monate später wurde der Ball auf dem Turnier Invensys Classic, Las Vegas, präsentiert, und nachdem es das erste Turnier war, waren die Erwartungen ziemlich bescheiden.
„Wir hatten damit gerechnet, dass 20-25 der Spieler, die bei uns unter Vertrag standen, zu dem neuen Ball wechseln würden. Es waren letztendlich 47 Spieler, wodurch dies nach Anzahl gerechnet der größte Wechsel von Ausrüstung in der Golfgeschichte wurde. Wir mussten mehr Bälle und Personal einfliegen, um die Anfragen von Medien und Spieler bewältigen zu können.“
„Es dauerte fünf Jahre, einen spielbaren Prototypen zu entwickeln“


Einer der Spieler, die zum Pro V1 wechselten, war Billy Andrade. Er hatte den Startplatz für die nächste Saison nicht geschafft und sich bereits entschieden, zurück zur „Q-School“ zu gehen (der Qualifizierungsschule zur PGA-Tour), und auch die Gebühr war bereits bezahlt. Doch das musste er dann gar nicht, weil er das Turnier gewann. Sechs der Spieler unter den besten 11 spielten mit Titleists neuem Ball, und der Erfolg war damit eine Tatsache.
„Mir war klar, dass der Ball von den Profis gut angenommen wurde, aber erst, als wir sahen, dass auch die Amateure die Prototypbälle nach der Einführung in Las Vegas online für mehrere Hundert Dollar kauften, wurde mir klar, dass das größer werden könnte, als wir je geahnt hatten. Als der Ball dann auf dem Markt war und die Wiederverkäufer berichteten, dass Kunden auf den Lieferwagen warteten und die Bälle direkt von der Palette weg kauften, wusste ich, dass der Pro V1 etwas ganz Besonderes werden würde.“
Genau wie in den 30er Jahren hatte Titleist einen Golfball geschaffen, der das Spiel wieder einmal revolutionierte. Jetzt musste man nicht mehr zwischen einem Ball wählen, der Weiteneigenschaften und eine haltbare Schale hatte, und einem Ball mit besserer Kontrolle im kurzen Spiel und einem weicheren Gefühl, aber mit kürzerer Lebensdauer. Der Pro V1 kombinierte all diese Eigenschaften.
Die Entwicklung des Golfsports geht weiter, und man verbessert den Pro V1 laufend, um den Anforderungen von Technik und Spielern gerecht zu werden. Und er ist nach wie vor der meistgespielte Ball auf den Touren der Welt.
SO BEKAM DER PRO V1 SEINEN NAMEN:
Der Name Pro V1 wurde im Labor der F&E-Abteilung geprägt, nachdem sie einen Prototypnamen für den Antrag benötigten. Pro ist eine Abkürzung von Professional, dem meistgespielten Ball zur damaligen Zeit. V steht für „Veneer“ (die Umhüllung, die den Kern davor schützte, Feuchtigkeit zu absorbieren). Die Ziffer 1 wurde hinzugefügt, um zu definieren, dass dies hier der erste Antrag an die USGA war. Man hatte immer beabsichtigt, den Namen zur Einführung zu ändern, doch Personen außerhalb von Titleist haben von ihm erfahren, und er wurde so populär, dass man sich dafür entschied, ihn nicht zu ändern.
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– Der verschwundene Pro V1-Ball
Mehrere Monate ehe Titleist seinen ersten Pro V1-Ball präsentierte, wollte Mac Fritz, Titleist Tourvertreter, Davis Love III den neuen Ball vorstellen. Mac erhielt von der Entwicklungsabteilung die Erlaubnis, den supergeheimen Prototypen zu zeigen, musste aber versprechen, alle zwölf Bälle zurückzubringen.
Mac und Davis trafen sich im Ocean Forest Golf Club, in der Nähe von Davis‘ Heimat in Georgia, und begannen mit verschiedenen Kurzspieltests, um zu sehen, wie er in der Nähe des Grüns reagierte. Nach einer Weile befanden sie sich an einem Loch mit einem Graben, der 300 Meter vom Tee über das Fairway verlief. Mac ging zum Ende des Fairways 270 Meter von Davis, der einen Titleist 975D, 6,5°, in seinen Händen hielt. Fordie Pitts, ein weiterer Titleist-Vertreter, stand am Tee und hatte die Aufgabe, die rechte Hand zu heben, wenn Davis einen Drive mit seinem derzeitigen Ball schlug – einem Titleist Professional – und seine linke Hand, wenn er den neuen Pro V1 schlug. Der Pro V1-Ball rollte die gesamte Strecke bis zu Macs Füßen. Der Professional-Ball war nicht einmal in der Nähe.
Nach fünf Schlägen mit jedem Ball, bat Fordie Davis „tee it high and let it fly“ (den Ball hoch aufteen und ihn fliegen lassen) mit einem Pro V1. Gesagt, getan. Fordie hob seine linke Hand und sah, wie Davis einen Drive machte, der weit über den Kopf von Fritz flog und direkt in dem Graben 30 Meter weiter vorn landete.
Mac raste in Richtung des Balls und sprang in den Graben, dicht gefolgt von Fordie und Davis. Sie hatten den Prototyp ja nur gnädigerweise außerhalb der Testanlage mitnehmen dürfen!
Alle drei gruben über eine Stunde in Lehm und Schlamm, um den Ball zu finden, doch ohne Erfolg. Mac und Fordie kehrten enttäuscht mit elf Bällen zurück zu Titleists Testanlage, zum großen Entsetzen der Entwicklungsabteilung. Währenddessen war Davis am Tag darauf mit seinem Sohn Dru zurück zum Graben gegangen, um weiter nach dem zu suchen, was der erste verschwundene Pro V1-Ball wurde. Und wenn niemand ihn gefunden hat, liegt der Ball noch heute dort.